Mit Inklusion ist das Ziel verbunden, allen Menschen ein Maximum
an gesellschaftlicher Teilhabe zu ermöglichen und Barrieren auf ein
Minimum zu reduzieren. Innerhalb von Schulen und Gemeinden geht
es darum, Ressourcen zu mobilisieren und die Partizipation aller
Akteur/innen zu fördern. Diese Zielsetzungen stimmen überein mit
den Intentionen und Kompetenzen offensiver, lebensweltorientierter
Schulsozialarbeit. Eine derartige Schulsozialarbeit kann daher einen
wichtigen Beitrag zu inklusiven Schulentwicklungsprozessen leisten.
Schulsozialarbeit in inklusiven Schulentwicklungsprozessen
VON ANNA MOLDENHAUER
Kein anderes Thema weckt derzeit so viel Aufmerksamkeit in Schulen und produziert so zahlreiche Kontroversen wie das der Inklusion. Weil Inklusion mehr bedeutet, als die gemeinsame Unterrichtung von Schülerinnen und Schülern mit und ohne sogenannten
sonderpädagogischen Förderbedarf und mehr als De-Segregation, beinhaltet der nicht zuletzt durch die UN-Behindertenrechtskonvention gestärkte bildungspolitische Auftrag zur Schaffung eines inklusiven Bildungssystems weitreichende Konsequenzen – sowohl auf der Ebene des Bildungssystems insgesamt als auch auf der Ebene der Einzelschule.Mit Inklusion ist der Anspruch verbunden, Fragen des Verhältnisses von Gleichheit und Differenz in schulischen Kontexten sowie damit zusammenhängende Formen der Kategorisierung neu zu reflektieren. Es geht darum, alle Menschen als gleichwertig anzuerkennen und Diskriminierung entgegenzuwirken. Zudem sollen der Zugang zu einer gemeinsamen Schule, die Akzeptanz in dieser Schule, die Teilhabe an Schule sowie die individuellen und organisationalen Entwicklungsmöglichkeiten verbessert werden (vgl. Werning 2011, S. 4).
Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass mit dem Inklusionsansatz die Selektivität des deutschen Schulsystems und die damit eng verbundene Idee homogener Lerngruppen grundlegend infrage gestellt wird (vgl. Tillmann 2007 in: Werning 2011, S. 4). Inklusion geht mit vielfältigen Anforderungen an Schule als Organisation einher und fordert auf zu einer kontinuierlichen Organisationsentwicklung. »Inklusion bedeutet Veränderung und einen nicht endenden Prozess von gesteigertem Lernen und zunehmender Teilhabe« (Boban/
Hinz 2003, S. 10) und ist folglich nicht als einzelne Maßnahme zu realisieren. Vielmehr muss Inklusion als »Ausdruck einer spezifischen – und zwar inklusiven – Organisationskultur« (Speck 2013a, o.S.) verstanden werden, welche durch verschiedenste Prozesse geprägt wird.
Mit Inklusion ist der Anspruch verbunden, Fragen des
Verhältnisses von Gleichheit und Differenz in schulischen
Kontexten sowie damit zusammenhängende
Formen der Kategorisierung neu zu reflektieren.
Der vorliegende Beitrag wendet sich der Einzelschule zu. Es wird der Frage nachgegangen, welche Chancen und Herausforderungen sich im Zuge der Entwicklung
der Einzelschule zu einer inklusiven Organisation ergeben und bewältigt werden müssen. Besondere Aufmerksamkeit wird den Aufgaben und der Bedeutung der Schulsozialarbeit gewidmet. Dabei wird davon ausgegangen, dass insbesondere »offensive Schulsozialarbeit« (Hollenstein et al. 2012, S. 274) mit ihrer Ausrichtung am
Prinzip der Lebensweltorientierung (vgl. ebd., S. 277) und ihrem »emanzipatorischen Anspruch (…) Teilhabe herzustellen, Integration zu gewährleisten und Benachteiligung
zu vermeiden« (Fabel-Lamla/Reinecke-Terner 2014, o.S.), zu einer inklusiven Schulentwicklung beitragen kann. Umgekehrt liegt gleichzeitig die Annahme nahe, »dass eine Veränderung von Schule auch eine Veränderung der Schulsozialarbeit bewirkt« (Hollenstein et al. 2012, S. 281).
Inklusive Schulentwicklung
Eine inklusionssensible Gestaltung von Schule im oben skizzierten Sinne ist weder eine sozialwissenschaftliche Utopie, noch ein erreichter Zustand, noch widerspruchsfrei umzusetzen (vgl. Dannenbeck/Dorrance 2009; Hinz 2013, o.S.). Auch ist sie »kein mechanischer Prozess« (Boban/Hinz 2003, S. 19), sondern bedarf einer systematischen Entwicklung. Boban/Hinz zufolge erwächst inklusive Schulentwicklung daraus, dass inklusive Werte, Gefühle und Haltungen ebenso miteinander verbunden
werden wie Reflexion, Analyse und Planung (vgl. ebd., S. 19). So werden Schulen und die an der Gestaltung von Schule beteiligten Professionellen in inklusionsorientierten Entwicklungsprozessen aufgefordert, sich mit ihren Normalitätsvorstellungen auseinanderzusetzen sowie auf etikettierende Zuschreibungen und damit verbundene Formen der sozialen Konstruktion von Behinderungen und Benachteiligungen zu verzichten. Es wird eine inklusive
Praxis angestrebt, die »sich gegen die stigmatisierende Einteilung von Schüler/innen mit und ohne zusätzlichen Unterstützungsbedarf wendet« (Amrhein/Reich 2014, S. 40; vgl. Florian/Black-Hawkins 2010 in: Amrhein/Reich 2014). Stattdessen werden Unterstützungsmaßnahmen inklusiv strukturiert und Formen »reflexiver
Inklusion« (Budde/Hummrich 2013, o.S.) etabliert. Werning zufolge sind es drei Bereiche, die eine herausgehobene Bedeutung für derartige, inklusive Schulentwicklungsprozesse
haben: (1) die Leitbildentwicklung, (2) Kooperation und Team-Lernen sowie (3) die Öffnung von Schule im Kontext ihrer sozialen Beziehungen (vgl. Werning 2011, S. 6 f.). Die Entwicklung eines gemeinsamen Leitbildes dient der Verständigung auf gemeinsame,
d.h. von allen Akteur/innen geteilte, Ziele und Wertvorstellungen, welche die Veränderungen im Folgenden antreiben. Die Einrichtung systematischer Formen der Kooperation
– insbesondere der multiprofessionellen Kooperation
– auf unterschiedlichen Ebenen und die fortwährende, umfassende Förderung von Partizipationsmöglichkeiten für Schüler/innen, Pädagog/innen und Eltern zielen darauf, die Reflexivität einer zunehmend inklusiven Schule zu stärken. Über Formen der inklusiven, regionalen Vernetzung kann die Region als lebensweltlicher Lernort und Ressource erschlossen (vgl. Oehme/Moldenhauer 2014, o.S.) und einer sozialen Entmischung teilweise entgegengewirkt werden.
Durch die Einbeziehung der alltäglichen Lebenswelt der Schüler/innen, die Unterstützung ihrer Partizipation und sowie ihre im Sozialraum bestehenden Netzwerke kann offensive Schulsozialarbeit dabei helfen, die Schule entlang der genannten Bereiche zu entwickeln und zu öffnen (vgl. Hollenstein et al. 2012, S. 280 f.). Im Folgenden wird daher dargestellt, wie Partizipation, multiprofessionelle Kooperation und die sozialräumliche Vernetzung
von Schule als wichtige Schulentwicklungsansätze und Einflussbereiche lebensweltorientierter Schulsozialarbeit zu einer inklusiven Schulentwicklung beitragen.
Zum Verhältnis von Partizipation und
inklusiver Schulentwicklung
»Inklusive Pädagogik ist durch einen Perspektivwechsel […] gekennzeichnet« (Werning 2011, S. 6): Das Augenmerk richtet sich nicht auf die Integration von Individuen durch Anpassungsprozesse, sondern auf den Abbau von Barrieren und die Förderung der Teilhabe von Menschen sowie das Lernen der Organisationen. Partizipation ist der zentrale Weg, über den dies möglich wird. Mittels Partizipation können Organisationen sich zunehmend flexibel auf die Bedürfnisse der Individuen einstellen. Bezogen auf die Schule bedeutet dies, dass Schüler/-innen, Lehrpersonen, Sozial- und Sonderpädagog/innen, Eltern und andere schulische Akteur/innen mithilfe von Partizipation an Schule und Entwicklung teilhaben und ihr Handeln Teil der Organisation Schule wird.
Schulen und die an der Gestaltung von Schule beteiligten Professionellen werden in inklusionsorientierten Entwicklungsprozessen aufgefordert, sich mit ihren Normalitätsvorstellungen auseinanderzusetzen.
Partizipation ist zentral für die Realisierung von Inklusion (vgl. Hinz 2013, o.S.), für Schulentwicklung und für das Lernen, der an Schule Beteiligten. Die Organisationssoziologin Gherardi stellt diesbezüglich gar einen gesellschaftlichen
Einfluss fest:
»Participating in a practice is consequently a way to acquire knowledge-in-action, but also to change or perpetuate such knowledge and to produce and reproduce society« (Gherardi 2013, S. 31). »Learning is […] part of becoming a member of an organization, and it is intrinsic to the practices that sustain an organization« (ebd., S. 41).
Doch Partizipation ist nicht voraussetzungslos. »Bedingungen und Folgen von Partizipation hängen vielfach zusammen und sind daher nur begrenzt trennbar«
(Bohnsack 2013, S. 102). Partizipationsmöglichkeiten stoßen in der Schule immer auf systemische Grenzen, was dazu führt, dass Partizipation in Schulen vielfach auf eine pädagogische Dimension verkürzt wird (vgl. Coelen 2010, S. 40) oder sich in den von Helsper u.a. rekonstruierten Antinomien von Autonomie und Heteronomie sowie von Organisation und Interaktion verstrickt (vgl. Helsper/ Lingkost 2007, S. 153). Partizipation bspw. als schulische Machaufgabe, die im Sinne eines »(Schüler-)Jobs«
(Breidenstein 2006, S. 260) erfüllt wird, darüber hinaus für die Partizipierenden sinn- und wirkungslos bleibt, ist jedoch nicht das Ziel inklusiver Schulentwicklung. Dennoch ist inklusive Schulentwicklung auf Partizipation angewiesen. Es geht darum, über »echte« Partizipation in der Schule und im Kontext lebensweltlicher Bezüge gesellschaftliche
Teilhabe zu fördern und Benachteiligung entgegenzuwirken.
Über die Gestaltung inklusiver Kulturen, Strukturen und Praktiken und damit einhergehende Formen der Teilhabe und Mitbestimmung eines jeden Individuums – bspw. mithilfe des sogenannten »Index für Inklusion« (Boban/Hinz 2003) – gilt es, sinnstiftende Formen von Partizipation zu ermöglichen und drei Perspektiven zu verbinden: »die Perspektive einer Teilhabe an Werten, die Perspektive einer Teilhabe an Systemen und die Perspektive einer Teilhabe von Individuen« (vgl. Booth 2008 in: Dannenbeck/Dorrance 2009, o.S.). Partizipations- und Verständigungsprozesse so zu gestalten, dass sie die Teilhabe aller Akteur/innen in ihrer Verschiedenheit entlang der drei genannten Perspektiven ermöglichen und fordern, bildet die zentrale Herausforderung inklusiver
Schulentwicklung. Schulsozialarbeit verfügt hier über umfangreiche Erfahrungen und demokratiepädagogische Expertise (vgl. Spies 2013b, S. 116), wie u.a. mithilfe von Projekten zum sozialen und kooperativen Lernen oder zur Streitschlichtung, über Feedback oder Lernortkooperationen lebensweltorientierte, partizipative Prozesse
gefördert werden können. Im Rahmen multiprofessioneller Kooperation kann sie dabei helfen, derartige Formen inklusiver Schulentwicklung anzubahnen und zu unterstützen.
Multiprofessionelle Kooperation in
inklusiven Schulentwicklungsprozessen
»Schulen in Deutschland entwickeln sich künftig im Zuge inklusiver und ganztägiger Bildungsreformen zunehmend zu multiprofessionellen Organisationen« (Speck 2013b, S. 42). Dies erfordert intensive Abstimmungsprozesse und ermöglicht multiprofessionelle Kooperation u.a. in der Form von Schulsozialarbeit, die es systematisch zu gestalten gilt (vgl. Fabel-Lamla/Thielen 2011, S. 64; Speck et al. 2011, S. 189). Über die systematische
Gestaltung multiprofessioneller Kooperation – als arbeitsteilig organisierte Zusammenarbeit – wie derjenigen zwischen Sozialpädagog/innen und Lehrpersonen kann die Reflexivität und Handlungsfähigkeit von Schule gestärkt werden. Es können »verschiedene […] Erfahrungs-, Wissenshorizonte und Kompetenzen aufeinander [bezogen werden; AM]« (Fabel-Lamla/Reinecke- Terner 2014, o.S.). Die Kooperation kann auf diese Weise sowohl zu einer Entlastung beitragen als auch Lernprozesse anstoßen.
Damit multiprofessionelle Kooperation konstruktiv verläuft und inklusive Schulentwicklungsprozesse fördern und unterstützen kann, ist es allerdings bedeutsam,
dass die Zusammenarbeit von Regelschullehrpersonen, Sozial- und Sonderpädagog/innen wertschätzend und weitgehend gleichberechtigt gestaltet wird (vgl. Fabel-Lamla/Thielen 2011, S. 68).
Mittels Partizipation können Organisationen sich
zunehmend flexibel auf die Bedürfnisse der Individuen
einstellen.
Es geht darum, über »echte« Partizipation in der
Schule und im Kontext lebensweltlicher Bezüge
gesellschaftliche Teilhabe zu fördern und Benachteiligung
entgegenzuwirken.
Eine derartige Zusammenarbeit ermöglicht es den Einzelnen, auf Augenhöhe zu
kommunizieren, sich über divergierende Selbstverständnisse zu verständigen und diese zu akzeptieren oder einander anzunähern sowie ihren je eigenen Beitrag zu
Schulentwicklungsprozessen zu leisten. Dies ist nicht ohne entsprechende Ressourcen – bspw. Zeiten, Räume, u.a. – zu bewerkstelligen (vgl. ebd.).
Multiprofessionelle Kooperation bedarf vergleichbarer Arbeitsbedingungen z.B. einer rechtlichen Absicherung sowie einer entsprechenden Entlohnung und Präsenzzeit (vgl. Speck/Olk 2014, S. 6 u. 8; Holtbrink/Kastirke 2013, S. 115). Fabel-Lamla/Reinecke-Terner (2014, o.S.) identifizieren auch eine strukturelle und konzeptionelle Einbindung der verschiedenen Professionen in die Entwicklungsprozesse als wichtige – wenn nicht gar unabdingbare – Voraussetzung für eine produktive Zusammenarbeit. Wobei eine produktive, multiprofessionelle Kooperation nicht mit einem durchweg harmonischen
Prozess zu verwechseln ist, sondern gleichsam eine permanente konstruktive Bearbeitung von Konflikten und Spannungen beinhaltet (vgl. Rahm 2010, S. 85). Multiprofessionelle Kooperation findet nicht nur im schulischen »Binnenraum« (Werning 2011, S. 7) statt, sondern trägt zu einer Öffnung von Schule in den Kontext ihrer
sozialen Beziehungen bei.
Inklusive Schulentwicklung im Kontext
Im Rahmen inklusiver Schulentwicklung wird die wechselseitige Beeinflussung von Schule und Umfeld berücksichtigt. Es werden Ressourcen aus dem schulischen Umfeld sowie lebensweltlichen Bezüge erschlossen und der Sozialraum und die Bezugspunkte zwischen Schule und Region unter fortwährender Beteiligung der Schüler/ innen und Eltern aktiv mitgestaltet. Auf diese Weise wird flexibel auf die Bedarfe der Menschen aus der Umgebung eingegangen und der Abbau von Bildungsbenachteiligung und die Gestaltung förderlicher Lernumgebungen und Entwicklungsräume vorangetrieben (vgl.
Spies 2013b, S. 117). Sie beinhaltet die Verbesserung der Zugangsmöglichkeiten und Rahmenbedingungen für Bildungsprozesse, Lernmöglichkeiten und Teilhabe im Sozialraum. »Nicht das Kind, der Jugendliche allein ist im Fokus des Handelns, sondern der Sozialraum an sich wird zum Gegenstand« (De L’Espine/Tölle 2012, S. 98).
Eine intensive Elternarbeit, vielfältige, flexible Formen der Gestaltung von Übergängen sowie die Vernetzung von Schule, Jugendhilfe und weiteren Akteur/innen aus dem regionalen Umfeld mithilfe von Schulsozialarbeit sind dabei von Bedeutung.
Eine systematische Orientierung hin zu einer Einbindung von Schule in die soziale Struktur ihrer Umgebung gehört für die Schulsozialarbeit zum »Kerngeschäft«
(Spies/Pötter 2011, S. 29 in: Spies 2013, S. 8). Spies zufolge hat Schulsozialarbeit auf der handlungspraktischen Ebene u.a. die Funktion, über systematische Kooperation im Sozialraum, »auf der strukturellen Ebene innerhalb der Kommune letztlich auch politisch relevant zu werden« (Spies 2013, S. 14). Dabei ist jedoch zu beachten, dass auch die Einflussmöglichkeiten von Schulsozialarbeit selbst auf eine inklusive Schulentwicklung und auf die Öffnung von Schule in den Sozialraum Interdependenzen mit schulischen und gesellschaftlichen Kontexten aufweisen (vgl. Spies 2013a, S. 15). Alle »Konstrukteure
schulischer Realitäten« (Rahm 2010, S. 84) sind gefordert, Verantwortung zu übernehmen und zusammenzuwirken. Es erscheint daher unerlässlich, realistische
Ziele bzw. Erwartungen zu formulieren und angemessene Rahmenbedingungen zu schaffen (vgl. Speck 2013b, S. 42). Zu derart angemessenen Rahmenbedingungen gehört u.a. die Anerkennung von Schulsozialarbeit von Seiten der Schulleitung und des Kollegiums über eine strukturelle Absicherung und die Einbindung in schulische Verständigungsprozesse wie bspw. die Arbeit in einer Steuergruppe, welche Entwicklungsprozesse initiiert und managt. Zudem gilt es, eine Balance »zwischen konkret schulbezogener, vertrauensbildender und grundlegender Basisarbeit und übergeordneter, systematischer und tragfähiger Vernetzung« (Gerstner
2012, S. 75) zu finden.
Schulsozialarbeit in einer inklusiven Schule
Wenn sich Schulen im Zuge inklusiver und ganztägiger Bildungsreformen zu multiprofessionellen Organisationen entwickeln (vgl. Speck 2013b, S. 42), bedeutet dies,dass Schulsozialarbeit Teil einer Schule ist, die sie in vielen Bereichen gleichberechtigt mitgestaltet. »Die Notwendigkeit des sich voneinander Abgrenzens mit dem alleinigen Zweck, einerseits Schulsozialarbeit zu professionalisieren und andererseits das Kerngeschäft der Schule nicht zu sehr ins Wanken zu bringen, tritt in den Hintergrund
« (L’Espine/Tölle 2012, S. 101) zugunsten eines kooperativen Zusammenwirkens der verschiedenen Akteur/innen mit ihren je unterschiedlichen Perspektiven und Kompetenzen. Was zeichnet eine solche Schule aus und warum ist es gerade der Inklusionsanspruch, der einen solchen Entwicklungsprozess verspricht?
Der Inklusionsansatz fordert Schule und die »Konstrukteure schulischer Realitäten« (Rahm 2010, S. 84) auf, Schule zu einem Lern- und Bildungsort zu entwickeln, dessen Zuständigkeit über standardisierte Unterrichtsinhalte hinausragt. Eine solche Schule heißt alle Menschen in ihrer Verschiedenheit willkommen und setzt auf ein erweitertes Bildungsverständnis. Dieses Bildungsverständnis schließt formelle, non-formelle und informelle Bildungsanlässe ein. Jeder einzelne Mensch wird in einer inklusiven Schule als Subjekt seines Lernprozesses geschätzt und in seiner Handlungsfähigkeit gefördert. Dies
gelingt, indem sich das Lernen der Individuen und das Lernen der Organisation zu einem kontinuierlichen Veränderungsprozess verbinden, der darauf zielt, Bildungs- und
Lerngelegenheiten zu verbessern und die Teilhabe der Menschen in der Region zu stärken. Eine derart inklusive Schule gestaltet gesellschaftliche Prozesse auf Basis
der Partizipation aller Beteiligten aktiv mit.
Im Rahmen inklusiver Schulentwicklung wird die
wechselseitige Beeinflussung von Schule und
Umfeld berücksichtigt.
Wenn sich Schulen im Zuge inklusiver und ganztägiger
Bildungsreformen zu multiprofessionellen Organisationen
entwickeln, bedeutet dies, dass Schulsozialarbeit
Teil einer Schule ist, die sie in vielen Bereichen
gleichberechtigt mitgestaltet.
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Zur Person
Anna Moldenhauer, Schulpädagogin, ist seit
März 2014 wissenschaftliche Mitarbeiterin der
»Plattform Zukunft Inklusion (ZINK)« der Stiftung
Universität Hildesheim.
E-Mail: molden@
uni-hildesheim.de
46 11–12.2014